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35. „Im Dienste Ihrer Majestät“ in Osnabrück: Das Tagebuch des Anton Bantock

Tagebuch von Anton Bantock, 1952, Fotokopie

Anfang April 1945 ziehen die Briten in Osnabrück ein; die Soldaten beziehen die ehemaligen Kasernen. Auf dem Limberg in der Dodesheide entsteht im Laufe der Zeit aus einer ehemaligen Munitionsfabrik eine neue Kaserne, die „Mercer Barracks“, benannt nach Alexander C. Mercer, dessen G-Batterie „Mercer’s Troop“ schon bei Waterloo kämpfte. Hierhin zieht Anton Bantock mit derselben Abteilung: dem 5. Regiment der Royal Horse Artillery, inzwischen eine Panzertruppe.

1952 verbringt der damals 18-jährige Brite Anton Bantock seinen Militärdienst in Osnabrück – das einzige Jahr, in dem er Tagebuch führt. Im Frühjahr kommen die jungen Soldaten in Osnabrück an und sind mit ihrer Unterkunft in der Dodesheide sehr zufrieden: „… an excellent billet with lockers, bedside tables, central heating and all conveniences.“ Die Straßen im Camp sind aber noch nicht fertig. Das ungewöhnlich nasse und kalte Wetter (Schnee noch zu Ostern) weicht die Wege auf und macht sie schlammig. Das NAAFI-Zentrum (Navy, Army and Air Force Institutes) am Schloss versorgt die Männer mit Mahlzeiten, Waren des täglichen Bedarfs und bietet Sport- und Freizeitangebote. In den ersten Nachkriegsjahren sah die Situation noch ganz anders aus: Neben ihren Soldaten mussten die Briten auch die deutsche Bevölkerung versorgen. In der britischen Besatzungszone zählen „Nahrung, Obdach und Abwehr von Krankheiten“ zu den offiziellen Primärzielen. Doch es fehlte an allem, weswegen die Anweisung erging, schnellstens an jeder nur möglichen freien Stelle Wintergemüse anzubauen. Zerstörte Industrie, unterbrochene Verkehrswege – es war kein Handel möglich. Zunächst sammelte und tauschte man wie in längst vergangenen Zeiten.

Gerne besuchen Anton Bantock und seine Kameraden das Stadtzentrum, gehen Einkaufen oder ins „Theatre Café“. Sogar kulturelle Höhepunkte hat die Stadt den britischen Soldaten zu bieten: Man besichtigt Kirchen, geht ins Theater oder ins Museum. Vor ihrer Abreise aus England sind sie ausdrücklich vor dem deutschen Bier gewarnt worden, das so viel stärker sei als das englische. Und tatsächlich: Anton Bantock, der zuvor noch überhaupt kein Bier getrunken hat, merkt es schon nach dem ersten Glas.

Für den „Gunner“ (Kanonier) Bantock besteht die Freizeit allerdings ohnehin aus mehr als Biertrinken. Neben all seinen Aufgaben nutzt er seine freie Zeit, um französische und englische Literatur zu lesen und lateinische Texte zu übersetzen. Außerdem macht er sich Notizen aus „History Today“, einer renommierten historischen Fachzeitschrift – den Studienplatz in Oxford hat er schon sicher und weiß, dass er sich deshalb glücklich schätzen kann. Auch verfügt er über sehr viel Kreativität, schreibt ein Theaterstück und zeichnet. Tatsächlich wird er später Lehrer und Schriftsteller werden.

Seine Zeichnungen, von denen einige in seinem Tagebuch überliefert sind, zeigen teilweise Szenen aus seiner Lektüre und auch Eindrücke aus seiner Umgebung, z. B. eine Ansicht der Stadt Osnabrück. 1989 wird er noch einmal herkommen und das Osnabrücker Schloss ein zweites Mal zeichnen, das während seiner Dienstzeit noch deutliche Spuren des Krieges zeigte. Überhaupt sind größere Teile der Stadt noch vom Krieg gezeichnet, wie Bantocks Fotos von Marktplatz und Kirchen zeigen; der Wiederaufbau ist noch längst nicht abgeschlossen. Dabei hat sich doch schon einiges getan in der Stadt, die 1945 noch zu über 60 % (in der Innenstadt 80 %) zerstört war. Zu den ersten Maßnahmen gehörte es, Durchgangsstraßen frei zu räumen. Während vom Entnazifizierungsausschuss als unbelastet erklärte Personen in ihren Ämtern bleiben durften, wurden Belastete zu öffentlichen Arbeiten herangezogen. Als die Briten selbst auch mit anpackten, sammelten sie Pluspunkte.

Seinen soldatischen Alltag verbringt Bantock, da technisch nicht besonders begabt, in der Schreibstube, oft mit dem Abtippen von Befehlen; außerdem mit dem Herrichten seiner Uniform und der Unterkunft, um die mal mehr, mal weniger geschätzten Vorgesetzten zufrieden zu stellen. Was Bantock über die Deutschen denkt, erfahren wir aus dem Tagebuch leider nicht. Manche Soldaten treffen sich mit deutschen Mädchen (dabei waren sie auch vor diesen gewarnt worden), einmal werden sie von Kindern umringt und außerdem erwähnt Bantock eine Bauernfamilie. Doch insgesamt bleiben die Kameraden eher unter sich. Bis „aus Feinden Brüder werden“, brauchte es seine Zeit. Drei Jahre später trat die Bundesrepublik Deutschland der NATO bei – aus ehemaligen Kriegsgegnern wurden Partner.

Im Zusammenhang mit einem Manöver in der Lüneburger Heide, wo sie einige Wochen in Zelten verbringen, besuchen die Soldaten das nahe gelegene einstige Konzentrationslager Bergen-Belsen. Ein Foto zeigt sie andächtig vor einem großen Denkmal stehen; „EARTH CONCEAL NOT THE BLOOD SHED ON THEE“ lautet die Inschrift, die Bantock für sein Fotoalbum noch einmal abschreibt.

Ein weiterer Höhepunkt ist eine Reise nach Waterloo, Belgien, wo Bantocks Truppe genau die Schauplätze besucht, an denen ihre Einheit damals gegen die napoleonischen Streitkräfte gekämpft hatte.

Wenige Wochen, bevor Bantock nach Deutschland aufbricht, stirbt König George VI und die junge Elizabeth besteigt den Thron. Rückblickend denkt Bantock, dass ihm der Gedanke daran, einer der Soldaten der Königin zu sein, beim Durchstehen mancher Strapazen geholfen hat. Dass er seinen Dienst speziell für die Königin abgeleistet hat, sagt er zwei Jahre später auch zum Kaplan Christopher Woodforde in Oxford, der die königliche Familie betreute. So erreicht diese Nachricht auch die Queen, die erstaunt fragt: „What can we do for him?“ Tatsächlich wird sie ihm 48 Jahre später einen Orden verleihen – aber in Anbetracht eines anderen Dienstes für sein Land.

(Laura Miete)


Steckbrief

Titel: Tagebuch eines britischen Soldaten
KünstlerIn/HerstellerIn: Anton Bantock (1934-2015)
Material/Technik: Papier, Farbfotokopie
Herstellungsort: Osnabrück u. a.
Datierung: 1952
Maße: DIN A 3
Bemerkungen: Schenkung, Original im Archiv der University of Withywood
Aufbewahrungsort: Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück, A 5684

Wegen Umbau geöffnet

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